Tagung zur Prozessoptimierung: Lehre liefert praktische Lösungen

Warum Unternehmen auf Forschungsarbeiten von Studierenden neugierig sind

Im Rahmen eines wissenschaftlichen Kolloquiums haben Studierende der Hochschule Harz und Vertreter verschiedener Unternehmen Ende März über Lösungen zur Verbesserung von nachhaltigen Unternehmensprozessen diskutiert. Eingeladen zur 2. EOG-Frühlingstagung hatte Wirtschaftsinformatik-Dozent Prof. Dr.-Ing. Hans-Jürgen Scheruhn, der vor zwölf Jahren mit dem namensgebenden Enterprise Online Guide (EOG) eine Lehr- und Lernplattform entwickelt hat, mithilfe derer Strukturen, Abläufe und organisatorische Zusammenhänge in Unternehmen spielerisch durchdrungen werden können.

„Ich habe immer eine Möglichkeit gesucht, wie man Aspekte der sogenannten Unternehmensarchitektur auf einfache Weise und mit möglichst viel Spaß lehren und lernen kann. Und mittlerweile ist der EOG nicht nur an der Hochschule Harz im Einsatz, sondern wurde inzwischen weltweit an über 25 weiteren Hochschulen von Florida bis Sydney erfolgreich vorgestellt“, freut sich der Ideengeber über den Erfolg. An der Hochschule Harz arbeiten derzeit knapp 15 Studierende aus allen drei Fachbereichen als EOG-Team an Einsatzmöglichkeiten und Weiterentwicklungspotenzial des Tools. Während des Kolloquiums haben sie thematisch passende Ergebnisse aus ihren Bachelor- und Masterarbeiten sowie Prüfungsleistungen vorgestellt, um einen fachlichen Austausch mit den anwesenden Unternehmensvertretungen anzustoßen.

EOG als Google Maps für Unternehmensprozesse

Doch wie genau funktioniert der Enterprise Online Guide? Hans-Jürgen Scheruhn vergleicht das Konzept seines Ansatzes mit gängigen Online-Kartendiensten. Während Nutzer bei Google Maps und Co. ein Reiseziel im „Unternehmen Erde“ eingeben, die gewünschten Verkehrsmittel wählen, mögliche Zwischenstopps zum Umsteigen einplanen und eine der vorgeschlagenen Routen wählen, stehe beim EOG ein nachhaltiges betriebswirtschaftliches Ziel im Fokus. „Viele Firmen denken oft zu operativ und verlieren ein klares Ziel aus den Augen. Das ist, um bei unserem Vergleich zu bleiben, als würde man sich auf Google Maps bewegen, ohne zu wissen, wo man hinmöchte.“ Der EOG soll demnach auch ein Umdenken fördern, indem er beispielhaft sichtbar macht, wie einzelne Faktoren den Erfolg eines Unternehmens beeinflussen können.

Die Unternehmensstruktur einer fiktiven Beispielfirma dient als „Landkarte“, auf der einzelne Abteilungen als Zwischenstopps ebenso angesteuert und aus der Nähe betrachtet werden können wie involvierte Mitarbeitende und genutzte Arbeitsmittel. „Man kann sich intuitiv durch den Guide klicken, sich Bereiche und Abläufe genauer anschauen, Prozesse und Zusammenhänge verstehen und sich dadurch ein greifbares Bild von dem sehr abstrakten und komplexen Unternehmens-Ökosystem verschaffen“, verdeutlicht Hans-Jürgen Scheruhn. Dadurch werde auch mögliches Anpassungspotenzial sichtbar. „Man sieht zum Beispiel, ob in einer Abteilung zu wenig Mitarbeitende beschäftigt sind, um alle Aufgaben im gewünschten Zeitplan zu bewältigen. In einer Simulation können zudem testweise Personen und Ressourcen digital verschoben werden, um zu beobachten, wie sich diese Änderung auf die Abläufe auswirken würden.“

Unterstützung von starken Partnern aus der Wirtschaft

Genau diese anschauliche Darstellung mit verbundenem Mehrwert ist es auch, die Unternehmen von einer Zusammenarbeit überzeuge. „Unser Hauptsponsor ist seit Beginn an die msg group mit Sitz im bayrischen Ismaning, die sich als IT-Dienstleister auf eben solche Software-Produkte spezialisiert hat, die bei der Abwicklung von Unternehmensprozessen unterstützen. Zu ihren Kunden gehören unter anderem namhafte Versicherungs- und Finanzdienstleister sowie Automobilhersteller“, erklärt Hans-Jürgen Scheruhn. „Wir sind sehr dankbar dafür, so einen starken Partner an unserer Seite zu haben.“

Der Einladung zum Kolloquium sind daher auch rund 20 msg-Mitarbeitende der Abteilung Prozessmanagement um Leiter Christian Reiter, ebenfalls langjähriger Dozent an der Hochschule Harz, gefolgt, um mit den Studierenden über neue Entwicklungen und Probleme der Praxis sowie mögliche Lösungsansätze ins Gespräch zu kommen. „Meine Studierenden waren sehr dankbar über das Feedback der Fachleute zu ihren Vorträgen. Teilweise haben aber auch die msg-Mitarbeitenden gestaunt, was wir so draufhaben“, berichtet Hans-Jürgen Scheruhn stolz.

Auch Firmen-Mitinhaber Dr. Christoph Plügler ist extra in den Harz gereist, um an der Tagung teilzunehmen. Dieser hatte am Vortag im IGZ Wernigerode, das zugleich Tagungsort war, ein Projektoffice als Vorbereitung auf die mögliche Gründung einer eigenen Niederlassung in Wernigerode eröffnet. In dem Gemeinschaftsbüro können künftig nicht nur neue msg-Angestellte aus der Region flexibel zwischen Home-Office und Coworking-Space wechseln. „Es steht auch für Studierende offen, so dass diese hautnah in realen Projekten im Rahmen von Lehrveranstaltungen typische Aufgaben kennenlernen und an diesen bis zu zwei Semester mitarbeiten können“, betont Hans-Jürgen Scheruhn.

Praktische Anwendungsbeispiele vorgestellt

Ebenfalls eingeladen waren Vertreter von weiteren Partnerinstitutionen des EOG-Teams wie der fme AG aus Braunschweig und der Ilsenburg Grobblech (ILG) der Salzgitter AG. Vor Ort waren auch Partner der Hochschule Harz im Bereich duales Studium, darunter die Firma escape Consult aus Wernigerode und die Bundesagentur für Arbeit. „Ein Student hat beispielsweise mithilfe des auch auf reale Institutionen anpassbaren EOG einen Teilbereich der Verwaltung der Bundesagentur für Arbeit dargestellt. Das Ergebnis wurde beim Kolloquium vorgestellt. Es ist einfach toll zu sehen, wie aus den vorgegebenen Möglichkeiten heraus so interessante eigene Entwicklungen entstehen“, staunt der Wirtschaftsinformatik-Dozent.

Ergänzt wurde die Tagung am Nachmittag mit zwei parallelen Breakout-Sessions zu den Themen Nachhaltigkeit und IT-Sicherheit, an denen vorwiegend Professorinnen und Professoren der Hochschule Harz sowie Mitarbeitende der msg teilnahmen. Während die zweite Diskussionsrunde von dem neu an die Hochschule Harz berufenen Prof. Dr.-Ing. Patrick Rempel wissenschaftlich begleitet wurde, gaben beim Thema Nachhaltigkeit die zwei Gastredner Prof. Dr.-Ing. Jorge Gomez (Leiter des Forschungscluster Sustainability an der Karl von Oszietzki Universität Oldenburg) und der online zugeschaltet Timotheus Kampik (Principal Scientist und Forschungskoordinator bei der Firma SAP sowie Adjunct Associate Professor an der Umea-Universität in Schweden) spannende Impulse.

Dass bei all den Fachgesprächen und -vorträgen auch die Geselligkeit nicht zu kurz kam, zeigten spontane musikalische Einlagen. „Jorge Gomez reist nie ohne seine Gitarre, wir hatten in Summe sogar drei Gitarren vor Ort. Da haben wir natürlich spontan so manches Lied angestimmt“, schmunzelt Hans-Jürgen Scheruhn. „Wir arbeiten sonst fast ausschließlich online miteinander. Sich dann endlich persönlich zu sehen, ist eben zwischenmenschlich doch ein ganz anders Gefühl.“ Diese erst zweite Tagung in der zwölfjährigen Geschichte des EOG solle daher auch nicht die letzte gewesen sein.

Konkrete Pläne für weitere Zusammenarbeit

Um den Enterprise Online Guide zukünftig noch stärker in die msg zu integrieren, sind unternehmensweite Workshops geplant, beispielsweise zur einheitlichen grafischen Darstellung von Unternehmensprozessen. Darüber hinaus wird Ende Mai im Rahmen der Projektwoche an der Hochschule Harz der erste Prototyp einer Security-Fallstudie mit EOG vorgestellt. Konkret werden die vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) erarbeiteten Vorgaben zum IT-Grundschutz (BSI 200-2) analysiert, auf das virtuelle EOG-Beispielunternehmen adaptiert und gemeinsam mit der msg und Studierenden der Hochschule Harz getestet.

Ebenfalls festhalten will das EOG-Team an gemeinsamen Forschungsaktivitäten mit der msg group. „Wir nehmen von Anfang an jährlich an der SAP Academic Community Conference DACH teil, auf der sich Lehrende und Studierende von Hochschulen und Universitäten treffen, die so wie wir mit Prozessmanagement-Produkten der auf diesem Gebiet führend Firma SAP arbeiten. Für die Tagung ab 3. September 2024 in Wien wollen wir erneut Paper einreichen und unsere Ergebnisse vorstellen“, gibt Hans-Jürgen Scheruhn einen Ausblick. Gearbeitet werde derzeit zum Beispiel an der Fragestellungen, wie mit EOG die Vertrauenswürdigkeit von ChatGPT im Bereich Prozessmanagement verbessert werden kann.

09.04.2024
Autor/Autorin: Karoline Klimek
Fotograf/Fotografin: © Hans-Jürgen Scheruhn
Bildrechte: © Hochschule Harz

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