Die prächtige Villa Honig war mit seinerzeit modernstem Komfort ausgestattet. Eine eigene Stromversorgung garantierte jederzeit (elektrisches) Licht, Innen-WCs waren auch für die Angestellten installiert. Die Sanitätsräume wurden über eine eigene Zisterne mit Wasser versorgt. Das luxuriös ausgestattete Marmorbad des Hausbesitzers war bis in die jüngere Zeit der Villa eine Attraktion. Die großzügige Küche verfügte auch über einen frei stehenden Herd. Die Waschküche befand sich in der 1. Etage. Darüber hinaus war eine spezielle Bügel- und Nähstube eingerichtet. Beheizt wurden die Räume über eine Zentralheizung.
Die älteste Tochter Annemarie hatte ihr eigenes Zimmer. Alle jüngeren Geschwister wohnten, nach Geschlechtern getrennt, gemeinschaftlich. Für die Schularbeiten konnten sie einen speziellen Arbeitsraum nutzen, die sogenannte "Schulstube", in der die Söhne von Hauslehrern unterrichtet wurden, ehe sie aufs Gymnasium bzw. aufs Kadettenkorps kamen. Für die Kinder beherbergten die großzügigen Räumlichkeiten der Villa auch eine eigene "Spielstube". Lange Zeit, bis zum Beginn des 1. Weltkriegs, muss das Leben für die zahlreichen Bewohner wohl wie ein angenehmer Traum verlaufen sein.
Der vermögende Rittmeister a.D. Detlev Honig, geboren in Egeln bei Magdeburg, kannte seinen Harz, denn für den Ruhestand hatte er sich für die kleine Ortschaft Hasserode bei Wernigerode entschieden. Das ausgewählte Areal, etwa 18 Morgen groß, machte seinem Namen "Hinter den wüsten Teichen" alle Ehre. So musste das Gelände zunächst dringend entwässert werden. Zwei Teiche, von denen einer bereits existierte, sollten diesem Zweck dienen. Auch einen Antrag für den Bau dreier Wasserbassins stellte Rittmeister a.D. Honig bereits im Jahr 1890. Die Planung des Villen-Neubaus übertrug Detlev Honig den Berliner Architekten Kayser und von Großheim.
Die Architekten Kayser und von Großheim waren bereits weithin bekannt, als Detlev Honig sie mir der Planung der Villa in Hasserode bei Wernigerode beauftragte. Sie hatten unter anderem den Glaspalast im Landesausstellungspark in Berlin, die Kaufhäuser Jordan und Wertheim entworfen und auch Wohn- und repräsentative Geschäftsbauten für den eigenen Bedarf errichten lassen. Ihre Villa Honig dürfte erhebliches Aufsehen im ländlichen Hasserode erregt haben.
Es war eine Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs: Die deutsche "Gründerzeit", die sich auch mit Hilfe französischer Reparationszahlungen, bedeutender technischer und wissenschaftlicher Innovationen im seit 1871 geeinten Deutschen Reich entwickelte. Davon profitierte auch Rittmeister a.D. Detlev Honig, der sich mit 40 Jahren in den Ruhestand begab und fortan nur noch für seine Familie und für seine Interessen, der Parkgestaltung und dem Sammeln von Schmetterlingen, lebte.
Deutschland rieb sich an seinen Erzfeinden England und Frankreich und rang um eine angemessene Position in Weltpolitik und Weltwirtschaft. Das Markenzeichen "Made in Germany" von Großbritannien und Frankreich diskriminierend gebraucht, wandelt sich mit der Gründung des Deutschen Werkbundes zum geachteten Qualitätssiegel. In Kunst und Architektur existieren Jugendstil und Eklektizismus nebeneinander. Mit dem Impressionismus und Expressionismus vollziehen sich unglaublich anmutende Brüche mit jeder akademischen Tradition.
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