Studentische Praxisprojekte sind fester Bestandteil der Hochschullehre. Im Bachelor-Studiengang Informatik haben die zwölf Studierenden des frisch abgeschlossenen sechsten Semesters im Rahmen eines einjährigen Projekts ihre Entwicklungsfähigkeiten unter Beweis gestellt. In Zusammenarbeit mit dem Forschungsprojekt CyberSecurity-Verbund Sachsen-Anhalt unter Leitung von Prof. Dr. Hermann Strack haben sie eine technisch sichere Möglichkeit entwickelt, das Vorort-Identifikationsverfahren für Prüfungen zu digitalisieren und damit deutlich zu vereinfachen. Über die Herausforderungen, den Mehrwert und die Ergebnisse berichten Dozent Prof. Dr. Hermann Strack und Student Marvin Herbst im Interview.
Herr Strack, warum sind studentische Projekte aus Ihrer Sicht wichtig?
Strack: Als Hochschule für angewandte Wissenschaften liegt der Fokus neben der Vermittlung von theoretischem Wissen natürlich auf einem hohen Praxis- und Innovationsbezug. Studierende können dabei ihr Wissen anwenden, lernen selbstständiges Arbeiten innerhalb eines festen Zeitplans und können am Ende ein konkretes Ergebnis – in unserem Fall in Form einer Software – vorweisen. Es ist vereinfacht gesagt eine wunderbare Übungsmöglichkeit.
Im Bachelor-Studiengang Informatik haben Sie das diesjährige Projekt betreut. Welche Aufgabe haben Sie für die Studierenden gewählt?
Strack: Die studentischen Projekte werden in der Regel immer von einem anderen Dozenten begleitet. Für den Jahrgang 2020 war ich verantwortlich. Für das Thema habe ich eine Schnittstelle zum Forschungsprojekt CyberSecurity gesehen, an dem das netlab-Team der Hochschule Harz gemeinsam mit den Universitäten in Halle und Magdeburg als Verbundpartner arbeitet. Einer unserer Schwerpunkte ist, die Online-Ausweisfunktion des Personalausweises, kurz eID, verstärkt in Anmeldeprozesse einzubinden. Das hat sowohl Vorteile im zeitlichen Ablauf als auch in puncto Sicherheit. Die Aufgabe für die Studierenden war es, ein vereinfachtes digitales und gesichertes Identifikations- und Anmeldeverfahren für Prüfungen an Hochschulen zu entwickeln, eingebettet in die eID-Infrastrukturen unseres Forschungsprojekts.
Wie genau soll das Anmeldeverfahren für Prüfungen vereinfacht werden?
Herbst: Das konkrete Ziel war, ein System zu errichten, womit sich Studierende bei Prüfungen nicht mehr wie bisher mit zwei Ausweisen identifizieren müssen, sondern nur noch mit dem Personalausweis. Gleichzeitig soll der Prozess komplett digitalisiert werden. Normalerweise hält die Prüfungsaufsicht auf einem Blatt Papier die Namen und Matrikelnummern der angemeldeten Studierenden fest und gleicht diese Daten mit dem Studentenausweis und dem Personalausweis ab. Auch der Sitzplan wird händisch notiert. Mit unserer Anwendung könnte der Dozent allein mit einem Endgerät, beispielsweise einem geeigneten Smartphone, alle Prozesse digital erfassen. Zur Anmeldung würde ein Personalausweis ausreichen, der vom Gerät ausgelesen wird. Das aus diesen Daten erzeugte Prüfungsprotokoll, in dem der Dozent auch besondere Vorkommnisse wie zum Beispiel Toilettenzeiten oder die Platzierung der Prüflinge im Raum festhält, kann dann digital unterzeichnet und ans Prüfungsamt übermittelt werden.
Das klingt nach einer aufwändigen Entwicklungsarbeit mit zu beachtenden rechtlichen Aspekten. Haben Studierende dazu genug Fachwissen?
Strack: An der Stelle kommt das Verbundprojekt CyberSecurity ins Spiel. Über die Jahre haben wir ein halbes Dutzend an Anwendungen im Bereich Internetsicherheit, insbesondere im Bildungswesen, entwickelt. Alle dafür genutzten Einzelkomponenten bilden eine Art Baukasten, den wir den Studierenden zur Verfügung gestellt haben. Die eID-Funktion, die mittlerweile in jedem deutschen Personalausweis steckt, ist dabei als eine fundamentale und hoch wirksame Sicherheitskomponente zu sehen. Als willkommenen Nebeneffekt kann sie auch für Remote-Anmeldungen aus der Ferne eingesetzt werden, beispielsweise im Fall einer weiteren Pandemie.
Wie ist das studentische Projekt abgelaufen?
Herbst: Im 5. Semester haben wir uns der Planung und Konzeption angenommen, im 6. Semester haben wir die Anwendung dann programmiert. Dabei hatte jeder von uns neben der Entwicklungsaufgabe einen zusätzlichen Schwerpunkt beziehungsweise eine Rolle. Es gab beispielsweise einen Qualitätsmanager, einen Sicherheitsverantwortlichen, einen technischen Redakteur und einen Weiterbildungsbeauftragten. Ich war für das Marketing zuständig und habe neben dem Teamnamen „eIDEXAM“ auch ein Logo und eine intern nutzbare Website über das Projekt erstellt. Das war sehr spannend.
Was genau fandest du an dem Prozess beziehungsweise generell an der Projektarbeit interessant?
Herbst: Ich persönlich bin begeistert von kreativen Prozessen und lebe mich dabei ziemlich aus. In einem iterativen Prozess des sogenannten Design Thinkings, eine Problemlösungs-Methode empfohlen von Herrn Strack, habe ich mehrfach Ideen jeweils zum Projektnamen und Logo entwickelt, dem Team vorgestellt und die Entscheidung des Teams in neuen Variationen weitergeführt. Es gab einige ausgefallenere Vorschläge meinerseits, allerdings hat sich das Team eher für die simpleren Ideen entschieden, womit wir beim jetzigen Titel „eIDEXAM“ sind, der im Logo – mit Blick auf eine alternative Aussprache – mit einer Eidechse symbolisch aufgegriffen wird. An der Projektarbeit an sich fand ich interessant, dass der gesamte Studiengang zusammengearbeitet hat und wir uns größtenteils selbstständig organisieren mussten, natürlich mit wöchentlichen Rücksprachen mit Herrn Strack.
Was begeistert dich an der Informatik allgemein?
Herbst: Vor dem Studium habe ich Informatik schon seit der 9. Klasse am Gymnasium Martineum in Halberstadt belegen können. Durch diesen frühen Kontakt im schulischen Rahmen und die kompetente Unterstützung meiner damaligen Lehrer war mein Interesse letztendlich geweckt, das Fach im Studium weiterzuführen. An der Informatik fasziniert mich der Prozess der Problemlösung, also wie man mit verschiedensten Methoden und auf unterschiedlichsten Wegen Probleme lösen kann. Auch wenn der Weg zur Lösung schwierig und frustrierend sein kann, ist es ein meiner Meinung nach sehr erfüllendes Gefühl, wenn man das Problem überwinden konnte. Danach den Code zu verbessern, ihn effizienter und kompakter zu machen, reizt mich ebenfalls.
Wie geht es nach dem Bachelor-Studium für dich weiter?
Herbst: Zunächst muss ich noch mein siebtes Semester absolvieren, das für ein Praktikum und das Schreiben der Abschlussarbeit vorgesehen ist. Danach werde ich voraussichtlich ein Master-Studium beginnen, allerdings muss ich mich noch auf eine konkrete Richtung festlegen.
Und wie sieht die Zukunft von „eIDEXAM“ aus? Kommt das entwickelte Verfahren künftig an der Hochschule zum Einsatz?
Strack: Nein, das war auch gar nicht das Ziel des studentischen Projekts. Denkbar wäre jedoch, dass wir das Ergebnis beispielsweise im Forschungsprojekt CyberSecurity bei Kontakten mit Wirtschaftsvertretern als Demonstratorbeispiel integrieren . Bei Interesse könnten dann geeignete Hersteller auf diese und andere Innovationen unserer Forschungs- und Entwicklungsprojekte für produktive Systeme zurückkommen. Grundsätzlich vorstellbar ist es zudem, die Entwicklung nicht nur im Prüfungskontext zu nutzen, sondern auch für andere Softwareentwicklungen zu integrieren, die sich Platzierungsfragen annehmen. Das könnte zum Beispiel die koordinierte Platzierung von Autos auf Fähren sein. Ob nun Prüflinge im Raum oder eben personenbezogene Objekte nach bestimmten Kriterien platziert werden, ist in dem Fall unerheblich. Hier sind die Konzepte und Software entsprechend anpassbar, wobei sie stets nur ein kleiner Teil der jeweiligen Gesamtlösung sein kann.
Text: Karoline Klimek
Fotos: Katharina Reif, Karoline Klimek